Sehr geehrte Damen und Herren,
den "Tag der deutschen Sprache" am 13. September 2025 nehmen wir zum Anlass, um zu einem Meinungsaustausch über
unsere Muttersprache anzuregen. Interessant ist, wie Sie Schrift- und/oder Lautsprachliches der Gegenwart einschätzen,
was Ihnen gefällt oder missfällt und was von Schreibern und/oder Sprechern erwartet wird.
Um auf das Anliegen einzustimmen, bieten wir im Folgenden einen Text unter dem Titel "Wörter im Wandel" an.
Wenn Sie uns Ihre Meinung zum gegenwärtigen Sprachgebrauch schriftlich mitteilen möchten, so nutzen Sie bitte eine
der am Textende angegebenen Adressen. Wir beabsichtigen, in der zweiten Septemberhälfte auf unseren Seiten über das
Meinungsspektrum zum gegenwärtigen Sprachgebrauch zu berichten. Wenn Sie es wünschen, können wir Ihre Zuschrift mit in diesen
Bericht einbauen.Sie können dieses Schreiben mit unserem Anliegen sehr gern an mutmaßlich Interessierte aus Ihrem
Bekanntenkreis weiterleiten.
Mit Dank, vielen Grüßen und besten Wünschen
Freunde der Vogtlandliteratur Dr. Frieder Spitzner, Birgit Klemm
Zu den Errungenschaften der Menschen zählen ihre ausgeprägten Schrift- und Lautsysteme. Sie ermöglichen eine nahezu
uneingeschränkte Verständigung und besitzen den Vorzug der Veränderbarkeit. Deshalb können sie den Erfordernissen
einer jeden Epoche angepasst werden. In unserem Jahrhundert sind männliche Substantive ins Visier von Verfechtern
allumfassender geschlechtlicher Gleichstellung geraten.
Grammatisch Männliches (wie Bürger, Verbraucher, Zuschauer, ...) benenne nur die bärtige Spezies. Das führe zu
Benachteiligungen Andersartiger, müsse unterbunden und auf zeitgemäße Weise neu geregelt werden, heißt es.
Infolgedessen mehren sich substantivische Dopplungen mit der Silbenerweiterung -in oder -innen, spalten Doppelpunkte
und/oder verschiedene strichförmige Zeichen das Wortgefüge, werden vor allem bei Stellenangeboten der
Berufsbezeichnung Ergänzungen in Klammern mit den Buchstaben m, w, d hinzugefügt. Solche Eingriffe in traditionell
Sprachliches entsprechen nicht dem Sprachverständnis der Bevölkerungsmehrheit. Ein männliches Substantiv trotzte
bisher den das natürliche Geschlecht anzeigenden Anpassungsversuchen - das uns alle vereinende Wort "Mensch(en)".
Wortgut, das nicht den im Trend liegenden Vorstellungen von "Coolness" entspricht, wird allmählich ersetzt.
So nachweisbar bei der Bezeichnung von Vereinbarungen, die einst als "Abkommen" oder "Verträge" deklariert und
unterschrieben wurden. Trifft man sich heutzutage auf großer Bühne zur Klärung weltbewegender Angelegenheiten, so
einigt man sich, beflügelt von einer amerikanischen Leitfigur, neudeutsch auf einen "Deal". Das Wort erfährt zunehmend
Seriosität, obwohl es zuweilen noch für Fragwürdiges steht, wie die Bezeichnung "Dealer" für Leute mit merkwürdigem
oder gar illegalem Geschäftsgebaren. Einer möglichen Rufschädigung entziehen sich Akteure des modernen
Weltverbesserungsgeschäfts. Denn sie nennen sich nicht "Dealer", sondern "Deal-Maker".
Eine zuweilen gemiedene Benennung wird ertüchtigt für die Bezeichnung von Einrichtungen, deren Nutzung sich verändert hat.
Das Wort "Fabrik" für Arbeitsstätten, an denen früher unter oft unwürdigen Bedingungen das tägliche Brot verdient werden
musste, erfährt eine Renaissance. "Fabrik" bezeichnet neuerdings nicht wie ursprünglich ein Erwerbsdomizil, sondern,
im Gegenteil, einen Aufenthaltsort nach getaner Arbeit.
Kunst- und Kulturstätten, Einrichtungen sinnvoller Erholung, ästhetischer, musischer oder sonstiger Bildung und
Betätigung integrieren das Wort in ihre als Werbeträger gedachte Titulierung (z.B. "Kulturfabrik", "Fabrik der Fäden").
Bei musealer oder künstlerischer Nutzung einer ehemaligen Produktionsstätte wird die althergebrachte Bezeichnung dem
neuen Glanz der Einrichtung nicht gerecht. Zeitgemäße Ausdrucks- und Anziehungskraft fehlt dem Wort "Fabrik".
Nicht alles wird widerspruchslos hingenommen. So im Vogtland der Vorschlag zur Bildung einer Kommune namens
"Göltzschtalstadt". Das Vorhaben wurde kritisiert und verschoben, aber die Diskussion darum geraume Zeit später neu
entfacht. Allerdings unter der Bezeichnung "Mittelzentraler Städteverbund Göltzschtal". Zu Irritationen führte der
Namensbestandteil "Mittelzentral". Denn was soll entlang der Göltzsch entstehen? Ein Städteverbund am Flusslauf, aber
mit einer Mitte in einem Zentrum oder mit Zentrum in einer Mitte? Über Veränderung des Namensgefüges war gesprochen worden.
Und tatsächlich kam es zu einer Änderung. Überraschend wurde auf die Regionalbezeichnung "Göltzschtal" verzichtet. Mit der
Angelegenheit der Stadtgründung befasst sich neuerdings ein Strategieausschuss namens "Mittelzentraler Städteverbund".
Wer bei der ursprünglichen Bezeichnung das Bild einer beachtenswerten Stadt im Tal der Göltzsch vor Augen hatte, blickt
heute einem strategischen Entwurf für ein Phänomen im Irgendwo entgegen. Dennoch, vielleicht gewöhnt man sich an die
Benennung "Mittelzentraler Städteverbund". Sie könnte aber für den Alltagsgebrauch ein wenig vereinfacht und somit
umgänglicher werden. Denn nur je zwei Anfangsbuchstaben der beiden Wörter des Gefüges ergeben die leicht und schnell
aussprechbare Abkürzung "MiSt".
Das Anpassen sprachlicher Elemente an das Zeitgeschehen kann Nützliches, mitunter Kurioses, leider auch Überflüssiges
und Ärgerliches hervorbringen.
Dr. Frieder Spitzner
Über Meinungsäußerungen von Ihnen über den Sprachgebrauch oder über Ihre Beobachtungen zu Spracherscheinungen würden
wir uns sehr freuen, denn es könnte sich daraus ein reger Meinungsaustausch entwickeln.
Mit Ihrem Einverständnis (und nur dann!) werden Sie diese zeitnah hier wiederfinden.
Senden Sie Ihre Darlegungen per E-Mail an info.literatur@gmx.de oder
per Briefpost an Dr. Frieder
Spitzner, Schreberweg 2, 08209 Auerbach /V.
Herzlichen Dank im Voraus.
* Ist es ökonomisch oder praktisch und knapp, wenn man sich nur noch mit Abkürzungen unterhält wie "SgDuH MfG 0815" usw. usf.
Da niemand alle "scheinbar üblichen" Abkürzungen kennt/kennen kann, kommt man sich mitunter sehr unwissend vor.
* Wie kommt es, dass das hochentwickelte Deutschland über so viele Analphabeten verfügt? In der LEO-Studie der
Universität Hamburg von 2018 ist von 6,2 Millionen Menschen die Rede. Dieses Problem verdient es, angegangen zu werden.
* Steht Deutschland wirklich wirtschaftlich so gut da, dass Formulare u.a. "gendergerecht" umgestellt werden auf
PERSON*innen ?! Von der Umweltfrage gar nicht zu reden, betrachtet man den Energie- und Materialaufwand dafür ...
* Berufsbezeichnungen kommen oft als männliche Substantive daher wie z.B. der Maler der Maurer oder der Ingenieur.
Wenn man sich darüber bewusst ist, dass dieser Fakt historische Gründe hat, muss man sich als Frau nicht
diskriminiert fühlen, meine ich. Ich verwandle mich auch nicht in einen Mann, wenn ich als Berufsbezeichnung
"Lehrer" anstelle "Lehrerin" schreibe. So ein Versehen (ich nenne es mal so) könnte mir passieren, weil sich
für mich Gleichberechtigung nicht definiert über das sture Beharren auf dem "*innen", sondern über den täglichen Umgang.
Sollte ich mich zu guter Letzt als MENSCHin bezeichnen (sollen)?? Birgit Klemm